– Vom Regen in die Traufe –
Ein Bericht, wie man in einer Woche die Alpen auf teils bekannten und auf neuen Wegen mit dem Rennrad queren kann.
1. Etappe Feucht – Königsbrunn (bei Augsburg) 173km, 1.200 Höhenmeter
Pünktlich nach dem Laden des Gepäcks in unseren blauen Begleitbus Samstagmorgen fängt es guter Tradition folgend zu Regnen an. Ein klasse Start !
Einen halben Tag und 80 km später, kurz vor Donauwörth hat das Wetter tatsächlich ein Einsehen und die Strassen werden wieder trocken. Noch eben durch das Ampel- und Verkehrsgewimmel quer durch Augsburg geschlängelt und schon ist unser erstes Übernachtungsziel in Königsbrunn erreicht.
2. Etappe Königsbrunn – Mittenwald 139km, 1.200 Höhenmeter
Am nächsten Morgen haben sich alle Wolken verzogen und es soll ein warmer Tag werden.
Auf dem Plan steht die Etappe nach Mittenwald. Erst noch schön flach zum weiteren Einrollen, dann je näher wir den Alpen kommen zieht sich das Feld an den ersten Hügeln doch schon ein wenig länger. Unser Hotel mitten im Zentrum gelegen bietet einen ersten Blick auf radelnde Bilderbuchbayern in Sepplhosen und Tirolerhut mit Gamsbart.
Dass die Nähe zur Kirche und eben jene Bilderbuchbayern uns am nächsten Tag zum Verhängnis werden sollen, konnten wir noch nicht ahnen. Deftige bayrische Kost zum Abendessen hat zwar die Kohlehydratspeicher nicht wieder aufgefüllt aber zumindest die Fettdepots genährt. Eben jenes Abendessen wollten wir in der Nacht gut und ausreichend lange verdauen, als um Schlag 6 Uhr morgens uns die Kirchenglocken mit großem Geläut unsanft aus den Federn schrecken. Und damit nicht genug. Es folgen eine halbe Stunde Böllerschläge, Marschmusik mit Pauken und Trompeten veranstaltet von eben jenen Bilderbuchbayern die ihren Frühsport wohl etwas anders verstehen, wie wir Radler.
Nun gut, alle sind mehr als wach und somit auch überpünktlich zum Frühstück erschienen. Denn heute soll es über den Kühtai ins Ötztal gehen.
3. Etappe Mittenwald – Sölden 118km, 2.700 Höhenmeter
Dank einer ersten langen Abfahrt von Leutasch ins Inntal haben wir schnell den Einstieg zum Kühtai (2220 m) geschafft. Nach einer Baustelle wegen Moränenabgängen und ein paar Höhenmetern extra kann man einen Teilnehmer beobachten der tatsächlich Serpentinen auf vollkommen geradliniger Straßenführung findet und sich am Ende des Tages über die Extrakilometer wundert. Diese Technik Pässe zu bezwingen findet er übrigens so gut, dass er sie bis zum Ende unserer Tour beibehalten wird.
In Ötz angekommen schrauben wir uns stetig das Tal nach oben. Dass unser Häuptling, der die ganze Tour ausgeheckt und wie immer perfekt organisiert hat, ein Faible für Gasthöfe mit schöner Aussicht hat, ist uns allen schon von frühren Unternehmungen bekannt. Und auch diesmal enttäuscht er uns nicht. Am Ende des Tages stehen mit dem Aufstieg zum Hotel noch mal 17%ige 150 Höhenmeter extra an. Zum Dank gibt’s tatsächlich die schöne Aussicht, tellerfüllende Wiener Schnitzel und zwei Waschmaschinenladungen frische Wäsche.
4. Etappe Sölden – Brixen 128km, 3.100 Höhenmeter
Auch am nächsten Morgen scheint der Planet vom Himmel und so wird die Auffahrt zum Timmelsjoch (2509 m) ein schweißtreibendes Unterfangen das im ewigen Eis endete.
Doch damit nicht genug. Der Jaufenpass (2094 m) soll bei nachmittäglicher Hitze auch noch bezwungen werden. Gut, dass unser weltbester Servicefahrer Manni mit Getränken und allem was man sonst noch so begehrt stets im richtigen Moment zur Stelle steht.
o nun nur noch flugs von Sterzing nach Brixen gerollt und wir können den Tag ausklingen lassen. Dafür hat man einen reizvollen Radweg angelegt. Nicht ahnend, dass dieser einer
Achterbahn gleicht, wird uns das doch ein wenig zuviel. Die daraufhin durchgeführte demokratische Abstimmung ergibt: Radweg verlassen und auf direktem Weg nach Brixen. Und man kann’s sich’s denken. Jawohl das heutige Quartier soll auch mit herrlicher Aussicht glänzen. In der Weinbergstrasse (17%, heute jedoch gefühlte 20%) und damit schön über dem Brixener Talkessel gelegen. Aber auch diesmal lohnt die Mühe. Die Wirtsleute haben trotz ihres Betrieburlaubs nur für uns geöffnet und reichlich lecker Südtiroler Spezialitäten und Wein vom hauseigenen Weinberg aufgetischt.
5. Etappe Brixen – St.Vigil 88km, 1.800 Höhenmeter
Im geschlossenen Verband geht es am nächsten Tag bergab auf reichlich befahrener Staatstraße nach Klausen, ab hier führt unser Weg das Grödnertal hinauf. Wir passieren die ersten Dolomitengipfel und landen endlich auf dem Grödner Joch (2121 m). Eine gigantische Alpenkulisse mit Sellastock und Langkofel wechseln sich mit stetigem Kommen und Gehen von Motorrädern, Autos und anderen Radlern. Ruhe sieht anders aus. Eine phantastische Abfahrt, teils auf neuem Asphalt folgt. Je mehr Höhenmeter wir vernichten, desto größer die Hitze, die uns entgegen schlägt. Noch eben ein letzter Anstieg nach St. Vigil hinauf und wir haben Feierabend.
6. Etappe St. Vigil – Fiera di Primiero 154km, 3.200 Höhenmeter
Es folgt die sogenannte Königsetappe. Mit dem Frühstück im Bauch geht’s gleich mal die anfänglich fiesen Rampen des Furkelpass hinauf. Keine Zeit verlieren ist das heutige Motto, deshalb nach kurzem Sammeln auf schlechter Straße nach Olang hinunter und auf verkehrreichen Wegen bis nach Toblach. Ab hier wird’s endlich wieder ruhiger und man kann den kurzen Blick auf die drei Zinnen genießen. Wir Rollen durch Cortina d`Ampezzo und auf der anderen Talseite auch gleich wieder hinauf. Endlich taucht unser Manni auf, die erste Verpflegungspause haben wir jetzt dringend nötig. Mit vollen Bäuchen (das hatten wir ja schon heute Morgen trainiert) starten wir den Anstieg auf den Passo Giau (2236 m).
Die Hitze legt sich nun etwas, Gewitterwolken ziehen um uns herum auf und ein paar kühlende dicke Tropfen gehen hernieder. Noch ist unser Tagwerk nicht vollendet. Nach der Abfahrt vom Giau folgen kleine unbekannte Sträßchen, Ruhe pur, Radlers Freiheit, die ganze Straße gehört dir! Der letzte Anstieg, der Passo Cereda (1361 m) wird auch noch gebügelt und auf feuchtem Untergrund vorsichtig Fiera di Primiero angefahren – unser heutiger Endpunkt. Wir stellen fest, dass trotz auch unseres fortgeschrittenen Alters, wir den Altersdurchschnitt unserer Hotelmitbewohner doch um mehrer Dekaden senken. Das gesamte Örtchen scheint ein wahres Rentnerparadies zu sein. (Sollte man sich für später vielleicht einmal merken!)
7. Etappe Fiera di Primiero – Bassano del Grappa 135km, 2.700 Höhenmeter
Am Folgetag verlassen wir unser Domizil gen Süden um mit dem Passo Brocon (1616 m) gleich wieder Neuland zu befahren: endlich mal angenehme Steigungen mit gutem Belag und auch hier kein Verkehr.
Wir vernichten immer mehr Höhe und da ist er endlich, unser letzter Berg. 31 Km soll der Anstieg lang sein zum Monte Grappa (1601 m). Der letzte Berg vor der folgenden venezianischen Tiefebene. Einen sensationellen Ausblick soll er bieten. Heiß ist es und ordentlich steil beginnt der Spaß. Und wenn man glaubt, man hätte die schwierigsten Stellen gemeistert, so taucht doch wieder eine kleine Abfahrt auf und vernichtet die mühsam erkämpften Höhenmeter. Kühler wird es, aber nur weil Gewitterwolken um uns herum aufgezogen sind. Das war´s dann erst mal mit der Aussicht.
Jetzt geht’s rasend schnell, Sturm zieht auf, es donnert und blitzt, es beginnt zu regnen. Jetzt teilt sich das Teilnehmerfeld. Die Einen werfen sich so zügig wie möglich in die 25 km lange Abfahrt, Sturm und Regen in Kauf nehmend. Die Anderen wählen die sichere Variante ins Tal zu kommen und quartieren sich im Bus ein. So endete die letzte Etappe so wie die erste begonnen hatte mit einem Regenschauer – Nach 935km und 16.000 Höhenmetern.
Es bleibt noch Zeit unser Ziel Bassano del Grappa, ein wunderschönes mediterran geprägtes altes Städtchen eingehend zu erkunden.
Bericht: Holger Kaiser