Rittersgrün, ein kleiner Ort im Erzgebirge, es ist 4:30 Uhr am 22.08.2020, unser Wecker macht Betrieb. Nach einer Tropennacht, so nennt man Nächte in denen die Temperatur nicht unter 20° sinkt, wachen drei Radfahrer vom Radlexpress und unsere Franzi auf. Warum wir vier um diese unchristliche Zeit unser Bett freiwillig verlassen haben, und was tagsüber alles so los war, möchte ich in diesem Bericht erzählen.
Aber der Reihe nach, Ludwig ein gebürtiger Erzgebirgler den es beruflich in unsere fränkische Heimat verschlagen hat, quengelt schon länger, er möchte uns mal seine Heimat mit dem Fahrrad zeigen. Ende Juli erreichte mich dann eine Mail in der Ludwig uns zu einer kleinen sportlichen Aktivität animiert und um Mitfahrer wirbt. Es soll der Stoneman Miriquidi im Erzgebirge sein. Eine Tour mit dem Rennrad 290 km lang und mit 4900 Hm versüßt.
Für diese Schleife gibt es vom Veranstalter drei Möglichkeiten, in drei Tagen bekommt man die Bronzene, zwei Tagen die Silberne und einem Tag die Goldene Auszeichnung. Wer den Ludwig kennt weiß was er unter einer kleinen sportlichen Aktivität versteht und der Grund ist warum wir um 4:30 alle wach sind, richtig es soll Gold sein. Alle, das sind der Ludwig mit seiner Frau Franzi, der Niklas und ich der Häusi.
Vom blauen Himmel am Vortag war um 6:00 Uhr, wo für uns der Spaß begann nichts mehr zu sehen, schlimmer noch, der Wetterbericht hatte Gewitter und Regen vorher gesagt. Zum Start war der Himmel nur bewölkt und die Temperaturen mit ca. 20 Grad optimal. Jeder hatte bestimmt seine eigene Vorstellung von dieser Runde, ich für meinen Teil wünsche mir immer längere Anstiege mit Steigungen unter 10% die sich flüssig fahren lassen, so kommt ein Rhythmus auf und das Kilometer sammeln fällt einen nicht so schwer.
Und so begann es auch, der erste Gipfel war der Fichtelberg 670 Hm flüssig zu fahren, Maschine läuft. Im weiteren Streckenverlauf wandelten sich die Anstiege in kurze harte Rampen weit außerhalb unserer Wohlfühlzone, so kam die erste Verpflegung an der Dreibrüderhöhe bei Km 75 durch unsere Franzi und ca. 3 Stunden Fahrzeit genau richtig. Die Wolkendecke machte auch keine Hoffnung dass diese Nummer trocken über die Bühne geht.
Also machten wir uns immer noch guter Dinge auf, verabschiedeten uns von der Franzi denn wir sollten sie erst bei Km 255 zur zweiten Verpflegung wieder sehen. Es begann wie angekündigt zu regnen und noch schlimmer die Temperaturen wurden einstellig. Zum Glück besteht das Erzgebirge nur aus fiesen Rampen, so wurde es uns zumindest nicht so kalt. In Altenberg bei Km 160 und Dauerregen machten wir an einer Tankstelle Rast, unsere Motivation war zu diesem Zeitpunkt bei null. Niklas unser 60kg leichter Bergfloh hatte mit der Kälte am meisten zu kämpfen, zitternd und blau gefroren stand er da, und das alles freiwillig. Seine Gedanken zu diesem Zeitpunkt konnte ich in seinen Augen gut ablesen und hatte vollstes Verständnis, hatte ich doch die gleichen. Nach Salamibrötchen, Bockwurst, Mars, Snickers, Cola und dem Spruch vom Ludwig „ hey Jungs das ziehen wir durch, oder“ schwangen wir uns geschmeidig wie Eisenbahnschienen auf unsere vom Regen und Straßendreck geschundenen Räder. Für Wärme sorgten ja die Rampen, auf die man sich in dieser Gegend verlassen kann.
Nach sechs Stunden im Regen hatte auch der Wettermacher kein Wasser mehr und aufgegeben uns von der Mission „Gold“ abzuhalten. Es zeigte sich am Horizont ein kleiner blauer Streifen und unsere Fahrtrichtung ging genau da hin. Hoffnung, und sogar ein klein bisschen Stimmung kam in unserer drei Mann Gruppe auf, wären da nicht diese gnadenlosen Anstiege, sie trommelnden unbarmherzig auf die Oberschenkel und unsere Kondition ein.
Das wir uns über einen grünen Caddy einmal so freuen können liegt daran, das die Fahrerin Franzi heißt, mit etwas schwacher Stimme begrüßten wir bei Km 255 unsere Glücksfee und machten uns über die im Kofferraum gelagerten Essensvorräte her. Was im Einzelnen gegessen wird und wie das aussieht möchte ich nicht beschreiben, Hauptsache es wirkt. Es wirkte sogar so gut das der im Anschluss erste Anstieg mit 18% Steigung uns nur noch zum Lachen brachte und Kommentare wie „mehr hat das Erzgebirge wohl nicht zu bieten“ entlockte, zu sicher waren wir, dass diese Schleife uns nicht mehr aus dem Sattel wirft.
Nach 12:20 Stunden Fahrzeit, 309Km, und 5400Hm (bedingt durch diverse Umleitungen) machten wir hinter dem Projekt Stoneman Miriquidi Gold einen Haken.
Zum Abschluss möchte ich sagen, und da spreche ich bestimmt auch im Sinne meiner Mitstreiter, dass man während der Fahrt über die Sinnhaftigkeit von solchen Schleifen nachdenkt. Zum Glück gibt’s im Körper aber auch die „Glückhormone“ und die hatten wir alle drei in unserer zu Recht stolz geschwelten Brust massenhaft vorhanden, das uns das Erzgebirge mit seiner tollen Landschaft und den kleinen verkehrsarmen Straßen gut in Erinnerung bleibt.